BFH, Urteil v. 17.12.1957, I 182/55 U:

Abgrenzung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zur VermögensverwaltungAbgrenzung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zur Vermögensverwaltung

Urteil vom 17.12.1957
I 182/55 U
Bundesfinanzhof

Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

Leitsatz

Abgrenzung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zur Vermögensverwaltung. KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; GemV § 6/2; GemV § 6/3; GemV § 2 Abs. 3

Diese Entscheidung wird zitiert von
BFH – 23.04.1969 – I R 54/67 – (V)

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist ein eingetragener Verein, der unstreitig gemeinnützig ist. Der Verein besitzt ein Haus mit den erforderlichen Räumen, in denen er seine gemeinnützigen Ziele verfolgt. Den großen Saal und andere Nebenräume in dem Hause vermietete er an Tagen, an denen er sie nicht selbst benötigte, in zahlreichen Fällen anderen Benutzern zur Abhaltung von Vorträgen, Lichtbilddarbietungen, Konzerten, Spielabenden und Versammlungen. Für die Benutzung des Saales erhielt der Bf. in der Regel eine Vergütung von 50 DM, im Winter von 60 DM und für die überlassung der anderen Räume 10 DM bzw. 15 DM. Bei wirtschaftlich ungünstigen Verhältnissen der Benutzer begnügte er sich mit einer geringeren Vergütung oder verzichtete auf sie. Unstreitig überließ er den Saal im Jahre 1952 an 41 verschiedene Veranstalter an 151 Tagen zur Benutzung, einigen einmal, einigen zwei- oder mehrmals, einem 17, einem anderen 40 mal. Bei den Nebenräumen waren es 15 Benutzer an zusammen 96 Tagen. Die Einnahmen des Vereins aus dieser Raumüberlassung betrugen 1952 für den Saal 7.556 DM für die sonstigen Räume 1.063 DM

Die durch die Benutzung entstandenen Unkosten wurden im einzelnen nicht festgehalten.

Das Finanzamt sah in der überlassung der Vereinsräume gegen Entgelt einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und zog den Bf. mit dem geschätzten überschuß zur Körperschaftsteuer heran.

Der Verein bestritt die Steuerpflicht, weil er in der entgeltlichen überlassung der Räume nur eine Vermögensverwaltung erblickte. Er habe keine Schritte zur Vermietung der Räume unternommen, die Interessenten hätten sich selbst gemeldet.

Der Einspruch führte zu einer höheren Schätzung der Unkosten und zur Senkung der Steuer, blieb im übrigen aber erfolglos. Auch die Berufung, mit der der Bf. im wesentlichen sein Vorbringen wiederholte, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied auf Antrag des Bf. zunächst über den Grund des Steueranspruchs. Es führte im wesentlichen folgendes aus: Der Verein habe sich im Jahre 1952 durch die überlassung seines Saales und der anderen Räumlichkeiten an zahlreiche verschiedene Benutzer gegen Entgelt für jeweils kurze Zeit am Wirtschaftsleben in gleicher Weise wie ein Gewerbetreibender, etwa wie ein Gastwirt, beteiligt. Seine Tätigkeit gehe über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus, weil er sie weiter ausgedehnt habe, als für die zweckentsprechende Nutzung der Gebäude erforderlich sei. Die zur Durchführung des Geschäftsbetriebs erforderliche Organisation sei vorhanden gewesen. In einem Bürokalender habe der Bf. die Vermietung der Räume festgehalten und dadurch sichergestellt, daß die Räume nicht mehrfach vergeben würden.

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.

Der Bf. ist nur insoweit steuerpflichtig, als er einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält (ß 4 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – ). Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen der Vermögensverwaltung hinausgeht. Eine Vermögensverwaltung liegt in der Regel vor, wenn unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird (vgl. § 6 Abs. 2 und 3 der Gemeinnützigkeits-Verordnung – GemV – vom 24. Dezember 1953, Bundesgesetzblatt – BGBl – I S. 1592). Für die oft zweifelhafte Abgrenzung zwischen der Vermögensverwaltung und dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb kann auch die Rechtsprechung herangezogen werden, die sich mit der Abgrenzung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung befaßt. Die bloße Vermietung unbeweglichen Vermögens stellt grundsätzlich eine reine Vermögensverwaltung dar. Sie wird erst dann zu einem Gewerbebetrieb oder einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, wenn bestimmte, für eine geschäftliche Betätigung sprechende Umstände hinzutreten. Welche Umstände das im einzelnen Falle sein können, ist insbesondere in den Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI 191/39 vom 17. Mai 1939 (Reichssteuerblatt – RStBl – 1939 S. 877) und VI 172/37 vom 15. Juni 1938 (Slg. Bd. 44 S. 152, RStBl 1938 S. 899) und in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 11/45 U vom 28. September 1951 (Slg. Bd. 56 S. 35, Bundessteuerblatt – BStBl – 1952 III S. 15) eingehend dargestellt. So sprechen in der Regel die spekulative Absicht, der häufige, die vermieteten Räume zur Ware machende Wechsel der Mieter, der dadurch bedingte, in kaufmännischer Weise eingerichtete Bürobetrieb, die nicht unbedeutenden Nebenleistungen des Vermieters und die nach außen in Erscheinung tretende Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Dabei dürfen allerdings die Vorgänge, die den Vermieter zu einer bestimmten Benutzung veranlaßt haben, nicht außer Betracht bleiben (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 96/42 vom 1. Juli 1942, RStBl 1942 S. 1081). Deshalb hat der Reichsfinanzhof zwar im Urteil I A 157/33 vom 29. November 1933 (RStBl 1934 S. 377) in der Eigenbewirtschaftung eines großen forstwirtschaftlichen Betriebs noch eine bloße Vermögensverwaltung gesehen, weil eine andere Nutzung dieses Vermögens aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht möglich war, im Urteil I A 218/32 vom 19. Dezember 1933 (RStBl 1934 S. 379) dagegen in der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebs einen über die Vermögensverwaltung hinausgehenden Geschäftsbetrieb erblickt, weil eine Verpachtung möglich gewesen wäre.

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so kann es zweifelhaft sein, ob nicht der häufige Wechsel der Mieter und der damit verbundene Wettbewerb mit gewerblichen Vermietern von Sälen und Nebenräumen die Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs rechtfertigt. Berücksichtigt man indessen, daß der Bf. den Saal und die Nebenräume überwiegend zur Erfüllung seiner gemeinnützigen Zwecke zwar benötigt, aber nicht dauernd für diese Zwecke braucht und daß er zur ordnungsmäßigen Verwaltung seines Grundbesitzes eine Vermietung dieser Räume für die Zeit, in der er sie nicht selbst nutzt, anstreben muß, so ist es vertretbar, in der Vermietung eine bloße Vermögensverwaltung zu sehen. Denn der Bf. hatte nur die Wahl, jede Vermietung der Räume zu unterlassen oder sie in der Weise durchzuführen, wie er es getan hat. Mögen auch die Bruttoeinnahmen aus der häufigen Vermietung an immer wieder wechselnde Mieter für sich betrachtet nicht unbedeutend sein, so hat doch das Finanzamt selbst aus der Vermietung nur ein sehr geringfügiges Einkommen errechnet, so daß von einer ertragsmässig ins Gewicht fallenden geschäftlichen Betätigung keine Rede sein kann. Bei der Würdigung des Verhaltens des Bf. muß entscheidendes Gewicht darauf gelegt werden, daß es sich hier um die allein mögliche Nutzung von Räumen handelt, die in erster Linie der Erfüllung der gemeinnützigen Zwecke dienen, daß die Einkünfte im Verhältnis zum Wert des Grundvermögens von ganz untergeordneter Bedeutung sind und daß keine Organisation nach Art eines Geschäftsbetriebs geschaffen worden ist. Der Senat nimmt deshalb im vorliegenden Fall an, daß die bei reiner Vermietung von unbeweglichem Vermögen durch § 2 Abs. 3 GemV begründete Vermutung, daß der Bereich der Vermögensverwaltung nicht überschritten wird, allein durch die Tatsache der häufig wechselnden Mieter nicht widerlegt ist.

Fundestellen

Haufe-Index, 408956
BStBl III 1958, 96

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