FG Baden-Württemberg, Urteil v. 04.12.1991, I R 74/89:

Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art

Zusammenfassung – Steuerpflichtiger bei Betrieben gewerblicher Art

Urteil vom 04.12.1991
I R 74/89
Vorinstanz FG Baden-Württemberg

Entscheidungsstichwort (Thema)

(Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art – Verlustabzug nach Zusammenfassung – Steuerpflichtiger bei Betrieben gewerblicher Art)

Leitsatz

1. Werden mehrere Betriebe gewerblicher Art mit steuerrechtlicher Wirkung zu einem Betrieb zusammengefaßt und entsteht danach ein Verlust, so mindert dieser das durch einen der zusammengefaßten Betriebe vor der Zusammenfassung erzielte Einkommen nur insoweit, als der gemäß § 10d EStG i.V.m. § 8 Abs.1 KStG 1977 zurückzutragende Verlust durch die gleiche Tätigkeit entstanden ist wie das um ihn zu mindernde Einkommen.

2. Versorgungsbetriebe und Bäderbetriebe einer Gebietskörperschaft können mit steuerrechtlicher Wirkung nur dann zu einem Betrieb gewerblicher Art zusammengefaßt werden, wenn zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung besteht. Faßt eine Gebietskörperschaft derartige Betriebe zu einem Betrieb zusammen, ist die Zusammenfassung steuerrechtlich erst ab dem Zeitpunkt beachtlich, ab dem die Verflechtung tatsächlich besteht. Es reicht nicht aus, daß diese erst geplant ist und später auch verwirklicht wird.

Orientierungssatz

1. Werden mehrere Betriebe gewerblicher Art mit steuerrechtlicher Wirkung zusammengefaßt und entsteht danach ein Verlust, so mindert dieser –durch Verlustrücktrag oder Verlustvortrag– das nach Zusammenfassung durch den Betrieb gewerblicher Art erzielte Einkommen. Es ist ohne Bedeutung, ob der Verlust durch die gleiche Tätigkeit entstanden ist wie das um ihn zu mindernde Einkommen.

2. Ein Verlustabzug durch Verlustrücktrag gemäß § 10d EStG 1981 setzt u.a. voraus, daß der Steuerpflichtige, der den Verlust erlitten hat, mit dem Steuerpflichtigen identisch ist, dessen Einkommen durch Verlustrücktrag gemindert werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1986 I R 318-319/83).

3. Steuerpflichtiger ist bei Betrieben gewerblicher Art (BgA) i.S. des § 1 Abs. 1 Nr.6 KStG 1977 nicht der BgA, sondern die ihm tragende juristische Person des öffentlichen Rechts. Diese ist Steuersubjekt wegen jedes einzelnen ihrer BgA (vgl. BFH-Rechtsprechung). KStG 1977 § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 8 Abs. 1, 4; EStG 1981 § 10d

Diese Entscheidung wird zitiert von

BFH – 27.10.1994 – I R 60/94 – (V)
BFH – 07.12.1993 – VIII R 160/86 – (V)

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Sie war 1980 (Streitjahr) und in den beiden Folgejahren Trägerkörperschaft der “Stadtwerke B” (Stadtwerke), eines Betriebs gewerblicher Art (BgA) i.S. des § 1 Abs.1 Nr.6 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 (KStG 1977). Streitig ist, ob Verluste, die die Stadtwerke 1981 und 1982 erlitten, in das Streitjahr zurückzutragen sind. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) verneinte dies, weil der BgA der Verlustentstehungsjahre nicht mehr dem BgA entspreche, der im Streitjahr bestand. Dem Rechtsstreit liegt im wesentlichen der folgende Sachverhalt zugrunde:

Die Stadtwerke –die als Eigenbetrieb ohne eigene Rechtspersönlichkeit nach dem baden-württembergischen Gesetz über die Eigenbetriebe der Gemeinden vom 19.Juli 1962 –Eigenbetriebsgesetz– (Gesetzblatt für Baden-Württemberg –GBl. BW– 1962, 67) geführt wurden– betrieben zunächst nur ein Elektrizitäts- und ein Wasserwerk. Im Mai 1980 teilte die Klägerin dem FA mit, sie beabsichtige, den Stadtwerken als neuen Betriebszweig ein Hallenbad mit Blockheizkraftwerk (BHKW) anzugliedern. Das Hallenbad sei bereits im Bau und werde voraussichtlich im September 1980 fertiggestellt. Das geplante BHKW diene dazu, das Bad mit Wärme zu versorgen und in Spitzenlastzeiten elektrische Energie für die Stadtwerke zu erzeugen. Durch das BHKW entstünde zwischen dem Hallenbad und den Stadtwerken eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung, die steuerrechtlich Voraussetzung für die Zusammenfassung verschiedenartiger BgA zu einem BgA sei. Das FA schloß sich dieser Auffassung an und teilte der Klägerin mit, es sei davon auszugehen, daß das Hallenbad zum BgA Stadtwerke zu rechnen sei, falls das BHKW wie geplant gebaut und eingesetzt werde. Die Klägerin änderte daraufhin im Dezember 1980 mit Wirkung ab 1.Januar 1981 die Betriebssatzung der Stadtwerke und erhöhte das Stammkapital des Eigenbetriebs. Nach der geänderten Satzung sind Elektrizitäts- und Wasserwerk und das Hallenbad mit integriertem BHKW zu einem Eigenbetrieb zusammengefaßt, dessen Zweck die Versorgung der Bevölkerung mit Strom und Wasser und der Betrieb eines Hallenbades mit BHKW ist.

Das BHKW wurde im März 1982 in Betrieb genommen. Seine ursprünglich für Ende 1981 geplante Fertigstellung hatte sich verzögert, weil es während des Baues dem neuesten Stand der Technik angepaßt worden war.

Im Streitjahr erzielte der BgA Stadtwerke einen Gewinn, in den beiden Folgejahren erlitt er Verluste. Das FA lehnte es ab, die Verluste durch Verlustrücktrag bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer für das Streitjahr zu berücksichtigen.

Das Finanzgericht (FG) gab der von der Klägerin erhobenen Klage statt.

Das FA stützt seine Revision auf Verletzung der §§ 4, 8 und 1 Abs.1 Nr.6 KStG 1977.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

1. Nach § 8 Abs.1 KStG 1977 ist das Einkommen der der Körperschaftsteuer unterliegenden Körperschaften, zu denen auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit ihren BgA gehören (§ 1 Abs.1 Nr.6 KStG 1977), u.a. nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln. § 8 Abs.4 KStG 1977 stellt klar, daß bei der Einkommensermittlung auch die Vorschrift des § 10d EStG über den Verlustabzug zu beachten ist. Für Verluste, die in den Veranlagungszeiträumen 1981 und 1982 entstanden sind, regelt § 10d EStG 1981 i.d.F. vom 6.Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1249, BStBl I 1981, 666) bzw. –für den Verlust 1982– i.d.F. des 2.Haushaltsstrukturgesetzes vom 22.Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) den Verlustabzug.

Ein Verlustabzug durch Verlustrücktrag gemäß § 10d EStG 1981 setzt u.a. voraus, daß der Steuerpflichtige, der den Verlust erlitten hat, mit dem Steuerpflichtigen identisch ist, dessen Einkommen durch Verlustrücktrag gemindert werden soll (s. Urteil des erkennenden Senats vom 29.Oktober 1986 I R 318-319/83, BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310). Steuerpflichtiger ist bei BgA i.S. des § 1 Abs.1 Nr.6 KStG 1977 nicht der BgA, sondern die ihn tragende juristische Person des öffentlichen Rechts (s. Urteile des erkennenden Senats vom 13.März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391; vom 8.November 1989 I R 187/85, BFHE 159, 52, BStBl II 1990, 242).

Das FG hat dazu in tatsächlicher Hinsicht –für den Senat bindend (§ 118 Abs.2 FGO)– festgestellt, daß die Klägerin im Streitjahr und in den beiden folgenden Jahren die alleinige Trägerkörperschaft der Stadtwerke war. Sie erlitt somit die Verluste, um deren Abzug gestritten wird. Daher darf ihr der Verlustrücktrag nicht mit der Begründung versagt werden, der Steuerpflichtige, der die Verluste 1981 und 1982 erlitt, sei nicht mit dem Steuerpflichtigen identisch, dessen zu versteuerndes Einkommen 1980 um diese Verluste gemindert werden soll.

2. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind jedoch Steuersubjekt wegen jedes einzelnen ihrer BgA (s. Urteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391). Deshalb ist für jeden einzelnen BgA ein von seiner Trägerkörperschaft gesondert zu versteuerndes Einkommen zu ermitteln. Für den Verlustabzug folgt daraus, daß ein Verlust, den die Trägerkörperschaft durch einen ihrer BgA erlitten hat, das wegen eines anderen BgA zu versteuernde Einkommen nicht mindert.

Werden mehrere zunächst getrennte BgA zu einem BgA zusammengefaßt, so entsteht dadurch allerdings kein völlig anderer BgA. Vielmehr setzt die juristische Person des öffentlichen Rechts mit dem nach der Zusammenfassung bestehenden BgA die bisherigen Tätigkeiten der zusammengefaßten BgA fort. Für den Verlustabzug folgt daraus:

a) Ein nach der Zusammenfassung erlittener Verlust mindert –durch Verlustrücktrag oder Verlustvortrag– das nach der Zusammenfassung durch den BgA erzielte Einkommen. Es ist ohne Bedeutung, ob der Verlust durch die gleiche Tätigkeit entstanden ist wie das um ihn zu mindernde Einkommen. Nach der Zusammenfassung werden die zuvor in mehreren getrennten BgA ausgeübten Tätigkeiten in einem BgA ausgeübt. Die Verrechnung der in diesem BgA erlittenen Verluste mit dem in ihm erwirtschafteten Einkommen widerspricht daher nicht dem Grundsatz, daß ein Verlustausgleich zwischen mehreren BgA nicht zulässig ist. Voraussetzung ist allerdings, daß die Zusammenfassung steuerrechtlich wirksam ist (s. dazu unten 4.).

b) Ein nach der (steuerrechtlich wirksamen) Zusammenfassung erlittener Verlust mindert das vor der Zusammenfassung durch einen der zusammengefaßten BgA erzielte Einkommen insoweit, als der gemäß § 10d EStG i.V.m. § 8 Nr.1 KStG 1977 zurückzutragende Verlust durch die gleiche Tätigkeit entstanden ist wie das um ihn zu mindernde Einkommen. Der Zweck des § 1 Abs.1 Nr.6 KStG 1977 –juristische Personen des öffentlichen Rechts hinsichtlich ihrer nicht hoheitlichen Tätigkeiten gegenüber der Privatwirtschaft nicht zu begünstigen (s. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 14.März 1984 I R 223/80, BFHE 140, 560, BStBl II 1984, 496; vom 9.Mai 1984 I R 25/81, BFHE 141, 252, BStBl II 1984, 726)– erfordert es nicht, den Verlustabzug mehr einzuschränken, als er wegen des Grundsatzes der steuerrechtlich getrennten Beurteilung jedes einzelnen BgA bei Fortführung der Tätigkeiten in getrennten BgA eingeschränkt wäre. Entsprechendes gilt für die Verrechnung der vor der steuerrechtlich wirksamen Zusammenfassung erlittenen Verluste mit dem nach der Zusammenfassung erzielten Einkommen.

Für den Streitfall ergibt sich daraus, daß die Verluste 1981 und 1982 nur insoweit das von der Klägerin wegen des BgA Stadtwerke für 1980 zu versteuernde Einkommen mindern, als sie durch das Elektrizitäts- und Wasserwerk entstanden sind. Soweit die Verluste durch das Hallenbad mit BHKW entstanden sind, mindern sie das für 1980 wegen des BgA Stadtwerke zu versteuernde Einkommen nicht. Dem Abzug dieser Teile der Verluste steht entgegen, daß sie auch dann nicht abzugsfähig wären, wenn der BgA Elektrizitäts- und Wasserwerk und der BgA Hallenbad mit BHKW 1981 und 1982 als getrennte Betriebe fortgeführt worden wären. Der Senat geht davon aus, daß das Hallenbad bereits 1980 fertiggestellt und in Betrieb genommen wurde. Die Klägerin teilte dem FA im Mai 1980 mit, sie rechne mit der Fertigstellung des Hallenbades im September 1980. Der Gemeinderat der Klägerin beschloß am 2.Dezember 1980, daß der Betrieb des Hallenbades “im seitherigen Umfang” von den Stadtwerken ab 1.Januar 1981 weitergeführt wird.

3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da das FG –von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig– nicht festgestellt hat, inwieweit die Verluste der Stadtwerke 1981 und 1982 durch das Hallenbad mit BHKW entstanden sind. Das FG wird diese Feststellung nachzuholen haben.

4. Der Senat weist ergänzend auf folgendes hin:

Versorgungsbetriebe einer Gebietskörperschaft (z.B. Betriebe zur Versorgung der Bevölkerung mit Wasser und Energie) und Bäderbetriebe der Körperschaft können mit steuerrechtlicher Wirkung nur dann zu einem Betrieb zusammengefaßt werden, wenn zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung besteht (s. BFH-Beschluß vom 16.Januar 1967 GrS 4/66, BFHE 88, 3, BStBl III 1967, 240; Urteil vom 12.Juli 1967 I 267/63, BFHE 89, 416, BStBl III 1967, 679). Faßt eine Gebietskörperschaft derartige Betriebe zu einem Betrieb zusammen –wie dies im Streitfall durch Änderung der Betriebssatzung der Stadtwerke mit Wirkung zum 1.Januar 1981 geschah–, dann ist die Zusammenfassung steuerrechtlich erst ab dem Zeitpunkt beachtlich, ab dem die enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung tatsächlich besteht. Es reicht nicht aus, daß sie erst geplant ist und später auch verwirklicht wird.

Das FG ist davon ausgegangen, die Zusammenfassung der Wasser- und Elektrizitätswerke mit dem Hallenbad zu einem Betrieb sei auch steuerrechtlich bereits ab 1.Januar 1981 zu beachten. Dies ist nicht richtig. Das FG hat –durch Bezugnahme u.a. auch auf Bl.81 der “Sonderakten” des FA– festgestellt, daß das BHKW erst im März 1982 in Betrieb genommen wurde. Somit entstand die enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Versorgungsbetrieben und dem Hallenbad durch das BHKW erst im März 1982. Vorher bestanden zwei getrennte BgA, der BgA Hallenbad mit im Bau befindlichen BHKW und der BgA Elektrizitäts- und Wasserwerk.

Fundstellen

Haufe-Index, 63894
BStBl II 1992, 432

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