BFH, Urteil v. 21.05.1997, I R 164/94:

Betriebsaufspaltung: gemeinnützige Körperschaften wie Sportvereine als Besitzgesellschaft, personelle Verflechtung auch ohne Personenidentität, sachliche Verflechtung durch Überlassung von Werberechten eines Sportvereins

Urteil vom 21.05.1997
I-R-164/94
Bundesfinanzhof

Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsaufspaltung, wenn Besitzgesellschaft gemeinnützig ist

Leitsatz (BFH/NV)

1. Eine gemeinnützige Körperschaft unterhält einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, wenn sie an einer Kapitalgesellschaft mehrheitlich beteiligt ist und dieser wesentliche Betriebsgrundlagen zur Nutzung überläßt.

2. Eine Betriebsaufspaltung setzt keine Personenidentität zwischen den Organen der Besitz- und der Betriebsgesellschaft voraus.

Normenkette  

AO 1977 § 14

Rechtszug FG Köln

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Zweck die Förderung des Sports ist, insbesondere durch die Ausrichtung eines internationalen Turniers. Er ist alleiniger Gesellschafter der A-GmbH, deren Zweck die Verwertung von Werbemöglichkeiten anläßlich des vom Kläger ausgerichteten Turniers ist. Die Vorstandsmitglieder des Klägers waren nicht identisch mit den Geschäftsführern der A- GmbH.

Die A-GmbH zahlte dem Kläger in den Streitjahren 1987 bis 1989 für die Überlassung von Werberechten Pachtzinsen. Der Kläger betrachtete diese als Einnahmen aus steuerfreier Vermögensverwaltung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt — FA –) hingegen nahm aufgrund der 100 %igen Beteiligung des Klägers an der A-GmbH und der Überlassung von Werberechten als wesentliche Betriebsgrundlage der A-GmbH eine Betriebsaufspaltung an und rechnete die Pachteinnahmen einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu.

Die Klage hatte keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte — EFG — 1995, 360).

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 14 der Abgabenordnung (AO 1977) und beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 1987 bis 1989 dahingehend zu ändern, daß die Pachteinnahmen aus der Überlassung von Werberechten an die A-GmbH nicht nach dem Grundsatz der Betriebsaufspaltung einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers zugerechnet werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung — FGO –).

Mit Beschluß vom 5. Juni 1985 I S 2/85, I S 3/85 (BFH/NV 1986, 433) hat der Senat entschieden, daß ein gemeinnütziger Verein, der mehrheitlich an einer GmbH beteiligt ist, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält und insoweit steuerpflichtig ist (vgl. z. B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes — KStG –), wenn er eine wesentliche Grundlage des Betriebs der GmbH besitzt und diese der GmbH zur Verfügung stellt. Diese in einem Aussetzungsverfahren ergangene Entscheidung hat der Senat durch Urteil gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) bestätigt. Den hiergegen vom Kläger erhobenen Einwendungen vermag der Senat nicht zu folgen:

1. Die Anwendung der Rechtsgrundsätze der Betriebsaufspaltung (vgl. grundlegend Urteil des Bundesfinanzhofs — BFH — vom 24. Juni 1969 I 201/64, BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17; BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) ist nicht auf Besitzkapitalgesellschaften beschränkt. Die Betriebsaufspaltung hat zur Rechtsfolge, die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens zu begründen. Ihr Schwerpunkt liegt daher gerade nicht darin, die Einkünfte einer Besitzkapitalgesellschaft, die gemäß § 8 Abs. 2 KStG, § 2 Abs. 2 des Gewerbesteuerge setzes (GewStG) stets in vollem Umfang Einkünfte aus Gewerbebetrieb hat, gewerbesteuerpflichtig zu machen, sondern Einkünfte, die sich — isoliert betrachtet — als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 des Einkommensteuergesetzes — EStG –) darstellen, der Gewerbesteuer zu unterwerfen. Die Rechtsprechung hat sich folglich ganz überwiegend mit Besitzunternehmen zu befassen gehabt, die keine Kapitalgesellschaften, sondern natürliche Personen oder Personengesellschaften waren. Da somit die Betriebsaufspaltung eine originäre Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens nicht voraussetzt, können auch Vereine Besitzunternehmen i. S. der Betriebsaufspaltung sein (vgl. z. B. Urteil des FG Köln vom 28. Januar 1986 V 136/82 G, EFG 1986, 351; Troll, Besteuerung von Verein, Stiftung und Körperschaft des öffentlichen Rechts, 3. Aufl., S. 106; Dehmer, Die Betriebsaufspaltung, 2. Aufl., Rdnr. 111; Fichtelmann, Betriebsaufspaltung im Steuerrecht, 9. Aufl., R 216; vgl. auch Wolf/Hinke, Handbuch der Betriebsaufspaltung, Teil 05/2.1 S. 2).

2. Eine Betriebsaufspaltung setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine sachliche und personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen voraus (vgl. z. B. Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; BFH-Urteil vom 19. Juli 1994 VIII R 75/93, BFH/NV 1995, 597). Die personelle Verflechtung wird durch eine 100 %ige Beteiligung des Besitzunternehmens an dem Betriebsunternehmen hergestellt, da die Beteiligung den Gesellschafter in die Lage versetzt, in der Betriebsgesellschaft seinen Willen durchzusetzen (vgl. Leitsatz des Großen Senats in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; BFH-Urteil vom 24. Februar 1994 IV R 8–9/93, BFHE 174, 80, BStBl II 1994, 466). Eine Personenidentität in den Organen der Besitz- bzw. Betriebsgesellschaft ist nicht Voraussetzung für eine Betriebsaufspaltung. Für die personelle Voraussetzung genügt es, daß der Kläger in der Gesellschafterversammlung der A- GmbH in Form von Beschlüssen mit einfacher Stimmenmehrheit grundsätzlich dem oder den Geschäftsführern Einzelweisungen in allen Fragen der laufenden Geschäftsführung erteilen kann. Hiervon ist der BFH auch ausdrücklich in seinem Urteil vom 28. Januar 1982 IV R 100/78 (BFHE 135, 330, BStBl II 1982, 479) ausgegangen, so daß sich aus ihr die Notwendigkeit einer Personenidentität in den Organen — entgegen der Auffassung des Klägers — nicht ableiten läßt.

3. Begrifflich besteht kein Zweifel daran, daß ein Gewerbebetrieb i. S. des § 15 Abs. 2 EStG ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i. S. des § 14 AO 1977 ist (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Ist einkommensteuer- und gewerbesteuerrechtlich aufgrund einer Betriebsaufspaltung eine Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit als gewerbliches Unternehmen zu beurteilen, so muß dieser Gewerbebetrieb auch ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i. S. des § 14 AO 1977 sein. Aus der ausdrücklichen Einschränkung in § 14 AO 1977, wonach Merkmal eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ist, daß die Tätigkeit über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgehen muß, ergibt sich nichts Gegen teiliges. Auch die Annahme eines Gewerbebetriebs ist vom Nichtvorliegen einer Vermögensverwaltung — i. S. eines negativen Tatbestandsmerkmals — abhängig (ständige Rechtsprechung; vgl. insbesondere Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 427, BStBl II 1984, 751, 762).

4. Die Anwendung der Betriebsaufspaltungsgrundsätze ließe sich daher im Streitfall nur unter Hinweis auf Sinn und Zweck der Steuerbefreiung in § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG bzw. des Ausschlusses der Steuerbefreiung für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG ablehnen. So vertritt Hüttemann (Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, 159; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 14 AO 1977, Tz. 9) unter Berufung auf den § 14 AO 1977 zugrundeliegenden Wettbewerbsgedanken die Auffassung, daß eine Besteuerung vermögensverwaltender Tätigkeit im Rahmen einer Betriebsaufspaltung nur zulässig sein könne, wenn die Vorteile der Steuerbefreiung an die Betriebsgesellschaft weitergegeben würden. Er sieht allerdings einschränkend in der Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen an eine von einem gemeinnützigen Verein beherrschte Kapitalgesellschaft ein erhebliches Indiz für eine Weitergabe der steuerlichen Vorteile. Diese Vermutung könne aber durch einen von der Körperschaft zu führenden Nachweis widerlegt werden, sie habe ihre Gesellschafterrechte angemessen ausgeübt und im Bereich der Überlassung der wesentlichen Betriebsgrundlage marktübliche Entgelte vereinbart. Der Senat vermag diesen Überlegungen nicht zu folgen, da durch die — partielle — Aufhebung der Steuerbefreiung für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe der marktwirtschaftliche Wettbewerb vor möglichen Beeinträchtigungen geschützt werden soll (vgl. so zu § 65 Nr. 3 AO 1977 BFH-Urteile vom 27. Oktober 1993 I R 60/91, BFHE 174, 97, BStBl II 1994, 573; vom 15. Dezember 1993 X R 115/91, BFHE 173, 254, BStBl II 1994, 314). Es liegt daher nicht im Sinn und Zweck des Gesetzes, in jedem Einzelfall festzustellen, ob sich die Steuerbefreiung des beherrschenden Gesellschafters konkret auf das Marktgebaren der Betriebsgesellschaft ausgewirkt hat.

Soweit die Anwendung der Betriebsaufspaltungsgrundsätze bei gemeinnützigen Körperschaften auf rechtsdogmatische Zweifel an der Betriebsaufspaltung selbst verneint wird (vgl. Herbert, Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des gemeinnützigen Vereins, 1988, 95 ff.), verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ständige gegenteilige Rechtsprechung des BFH (BFH-Beschluß in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; BFH-Urteile in BFH/NV 1995, 597; vom 24. April 1991 X R 84/88, BFHE 164, 385, BStBl II 1991, 713; vom 6. November 1991 XI R 12/87, BFHE 166, 206, BStBl II 1992, 415).

5. Da der Kläger unter Berücksichtigung der Grundsätze der Betriebsaufspaltung einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, kann der Senat offenlassen, ob sich aus seiner Entscheidung vom 13. März 1991 I R 8/88 (BFHE 164, 57, BStBl II 1992, 101) gleichermaßen die Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ableiten läßt (verneinend Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. Dezember 1990 IV B 4 — S 0170 — 229/90 und IV A 5 — S 0062 — 9/90, Tz. 9. I.9., BStBl I 1990, 818).  BFH/NV 1997, 825

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