EuGH zur Option für die Steuerpflicht und zum Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Gegenständen – Umsatzsteuer
EuGH Urteil vom 04.10.1995
Rs. C-291/92
Armbrecht
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuordnung von Gegenständen zum Unternehmensvermögen
Leitsatz
Bei dem Verfahren ging es um die umsatzsteuerliche Behandlung gemischt genutzter Grundstücke, und zwar um den Lieferungsumfang, den Vorsteuerabzug und die Berichtigung des Vorsteuerabzugs. Im Kern ging es darum, ob ein Grundstück, das sowohl unternehmerischen als auch nichtunternehmerischen Zwecken dient, bei der Lieferung in mehrere Gegenstände aufgeteilt werden kann.
Nach dem Sachverhalt betrieb ein Gastwirt sein Unternehmen auf einem eigenen bebauten Grundstück. Darauf befand sich eine Pension, ein Restaurant und eine Privatwohnung. Er verkaufte das Grundstück und vereinbarte mit dem Käufer einen Kaufpreis zuzüglich Mehrwertsteuer. In der Umsatzsteuererklärung behandelte der Unternehmer den auf die Privatwohnung entfallenden Erlös als umsatzsteuerfrei, den übrigen Erlös als umsatzsteuerpflichtig. Das Finanzamt erhob Umsatzsteuer auf den gesamten Kaufpreis mit der Begründung, nach § 9 UStG sei ein Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG nur für den ganzen Grundstücksumsatz möglich.
Der EuGH hat entschieden, daß beim Verkauf eines Gegenstandes, von dem der Unternehmer einen Teil der Privatnutzung vorbehalten hatte, hinsichtlich dieses Teils kein Verkauf im Rahmen der Unternehmereigenschaft erfolgen kann, sondern nur als Privatperson.
Der Vorsteuerabzug kann sich nur auf den Teil des Gegenstandes beziehen, den der Unternehmer seinem Unternehmensvermögens zugeordnet hat. Entsprechend ist eine etwaige Berichtigung des Vorsteuerabzugs nur auf den dem Unternehmen zugeordneten Teil des Gegenstandes zu beschränken.
Die Finanzverwaltung hat auf dieses wichtige EuGH-Urteil reagiert. Mit BMF-Schreiben vom 27.6.1996 (BStBl. I 1996, 702) ist geregelt worden, daß dem Unternehmer bei der Zuordnung von Gegenständen zum Unternehmensvermögen ein Wahlrecht zusteht.
Beteiligte
Finanzamt Uelzen
Armbrecht, Dieter
Diese Entscheidung wird zitiert von
Beitrag “Vorsteuerabzug”
Beitrag “Vorsteuerabzug – Gebäude”
Entscheidungsgründe
Urteil des Gerichtshofes
“Mehrwertsteuer – Steuerbarer Umsatz”
In der Rechtssache C-291/92
betreffend ein dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vom Bundesfinanzhof in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Finanzamt Uelzen [1]
gegen
Dieter Armbrecht
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 5 Absatz 1, 17 Absatz 2 und 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG; ABl. L 145, S. 1) erläßt
Der Gerichtshof
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten F. Schockweiler, P. J. G. Kapteyn, C. Gulmann und P. Jann, der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida, J. L. Murray (Berichterstatter), D. A. O. Edward, G. Hirsch und H. Ragnemalm,
Generalauwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
von Herrn Armbrecht, vertreten durch Steuerberater Bernd Kleemann,
der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder und Regierungsdirektor Claus-Dieter Quassowski, beide Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Hauptrechtsberater Henri Etienne als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Finanzamts Uelzen, vertreten durch Ministerialrätin Christel Kuwert, Niedersächsisches Finanzministerium, als Bevollmächtigte, von Dieter Armbrecht, der deutschen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 17. Juni 1993,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts W. Van Gerven in der Sitzung vom 15. September 1993,
aufgrund des Beschlusses über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 1994,
unter Berücksichtigung der auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofes gegebenen Antworten
von Dieter Armbrecht, vertreten durch Steuerberater Bernd Kleemann,
der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder,
der französischen Regierung, vertreten durch Edwige Belliard, stellvertretende Direktorin in der Direktion für Rechtsfragen des Außenministeriums, und Jean-Louis Falconi, Sekretär für Auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,
der portugiesischen Regierung, vertreten durch Luis Fernandes, Direktor des Junstischen Dienstes der Generaldirektion für die Europäischen Gemeinschaften des Außenrninisteriums, und Angelo Seiça Neves, Jurist in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,
der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Lindsey Nicoll, Treasuty Solicitor’s Department, als Bevollmächtigte,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Jürgen Grunwald, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Finanzamts Uelzen, vertreten durch Christel Kuwert, von Dieter Armbrecht, der deutschen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 14. März 1995,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts F. G. Jacobs in der Sitzung vom 6. April 1995, folgendes
Urteil
1) Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 28. April 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Juli 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 5 Absatz 1, 17 Absatz 2 und 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG; ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2) Diese Fragen stellen sich im Zusammenhang mit einer Klage von Dieter Armbrecht (im folgenden: Kläger) gegen einen Bescheid des Finanzamts Uelzen über die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 1981.
3) Der Kläger, ein Gastwirt, war Eigentümer eines bebauten Grundstücks; in den Gebäuden befanden sich eine Pension, ein Restaurant und als Privatwohnung genutzte Räume. 1981 verkaufte er das Grundstück zum Preis von 1 150 000 DM “zuzüglich 13 % Mehrwertsteuer”.
4) Gemäß § 4 Nr. 9 Buchstabe a des Umsatzsteuergesetzes 1980 (im folgenden: UStG) sind die Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, steuerfrei. Nach § 9 UStG kann der Unternehmer diese Umsätze jedoch als steuerpflichtig behandeln, wenn sie “an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt” werden. Der Kläger entschied sich nach dieser Vorschrift für die Steuerpflichtigkeit des Verkaufs seines Grundstücks.
5) In seiner Umsatzsteuererklärung für 1981 behandelte der Kläger nur den Grundstücksteil als umsatzsteuerpflichtig, der unternehmerisch genutzt wurde. Den auf die Privatwohnung entfallenden Erlös von 157 705 DM ließ er dagegen umsatzsteuerfrei. Demgemäß stellte er der Käuferin nur hinsichtlich des erstgenannten Grundstücksteils Umsatzsteuer in Rechnung.
6) Nach einer Außenprüfung setzte das Finanzamt auch für die Veräußerung der Privatwohnung Umsatzsteuer fest. Der Kläger erhob hiergegen Klage beim Finanzgericht Niedersachsen. Dieses vertrat die Auffassung, bei einem bebauten Grundstück, das teils unternehmerisch. teils zu Wohnzwecken genutzt werde, lägen umsatzsteuerrechtlich zwei selbständige Wirtschaftsgüter vor. Der Kläger habe der Käuferin keine Steuer hinsichtlich der Privatwohnung in Rechnung gestellt; insoweit schulde er deshalb keine Umsatzsteuer.
7) Das Finanzamt legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Da dem Bundesfinanzhof die Auslegung der Richtlinie nicht nur hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf das vom Kläger verkaufte Grundstück, sondern auch bezüglich des Umfangs des in ihr festgelegten Rechts auf Vorsteuerabzug zweifelhaft erscheint, hat er das Verfahren bis zum Erlaß einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes über folgende Fragen ausgesetzt:
1. Ist bei einer Grundstücksveräußerung der unternehmerisch genutzte Teil des Grundstücks ein selbständiger Gegenstand einer Lieferung im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie?
2. Wird ein Grundstück, das in getrennten Räumen teils privat und teiIs unternehmerisch genutzt wird, gemäß Artikel 17 Absatz 2 der Richtlinie im ganzen für Zwecke der besteuerten Umsätze des Unternehmens verwendet oder kann auch nur der unternehmerisch genutzte Teil dem Unternehmen zugeordnet werden?
3. Kann die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach Artikel 20 Absatz 2 der Richtlinie auf den unternehmerisch genutzten Teil eines Grundstücks beschränkt werden?
8) Gemäß Artikel 2 Nr. 1 der Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt.
9) Als Lieferung eines Gegenstands gilt nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie “die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen”.
10) Durch Artikel 13 Teil B der Richtlinie werden eine Reihe von Grundstücksgeschäften von der Steuer befreit, so u. a.
1). ” die Lieferungen von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, mit Ausnahme der in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a) bezeichneten Gegenstände;
2. die Lieferungen unbebauter Grundstücke mit Ausnahme der in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b) bezeichneten Baugrundstücke”.
11) Artikel 13 Teil C der Richtlinie stellt diese Steuerbefreiungen unter folgenden Vorbehalt:
“Die Mitgliedstaaten können ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, für eine Besteuerung zu optieren:
1. …
2. bei den Umsätzen nach Teil B Buchstaben … g) und h).
Die Mitgliedstaaten können den Umfang des Optionsrechts einschränken; sie bestimmen die Modalitäten seiner Ausübung.”
Zur ersten Frage
12) Zur ersten Frage führt die deutsche Regierung aus, das Grundstück des Klägers stelle nach deutschem Zivilrecht einen einzigen Gegenstand dar und sei als solcher im Grundbuch eingetragen. Daher sei es auch im Hinblick auf die Richtlinie als ein Gegenstand anzusehen.
13) Zwar grenzt Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie nicht den Umfang der übertragenen Eigentumsrechte ab; dieser bestimmt sich nach nationalem Recht. Der Gerichtshof hat jedoch bereits darauf hingewiesen, daß das mit der Richtlinie verfolgte Ziel, das gemeinsame Mehrwertsteuersystem auf eine einheitliche Definition der steuerbaren Umsätze zu gründen, gefährdet wäre, wenn die Feststellung, daß eine Lieferung von Gegenständen vorliegt, die einen der drei steuerbaren Umsätze darstellt, von der Erfüllung von Voraussetzungen abhinge, die von einem Mitgliedstaat zum anderen unterschiedlich wären (Urteil vom 5. Februar 1990 in der Rechtssache C-320/88, Shipping and Forwarding Enterprise Safe, Slg. 1990, I-285).
14) Daher kann die Antwort auf die gestellte Frage, die nicht die zivilrechtliche Seite der Lieferung, sondern die Besteuerung betrifft, nicht in dem im Ausgangsverfahren auwendbaren nationalen Recht gefunden werden.
15) Die erste Frage ist daher so aufzufassen, daß mit ihr geklärt werden soll, ob ein Steuerpflichtiger beim Verkauf eines Gegenstands, von dem er einen Teil seiner privaten Nutzung vorbehalten hatte, hinsichtlich dieses Teils als Steuerpflichtiger im Sinne von Artikel 2 Nr. 1 der Richtlinie handelt.
16) Nach dem Wortlaut des Artikels 2 Nr. 1 der Richtlinie unterliegt ein Umsatz nur dann der Mehrwertsteuer, wenn der Steuerpflichtige “als solcher” handelt.
17) Ein Steuerpflichtiger, der einen Umsatz für private Zwecke ausführt, handelt aber nicht als Steuerpflichtiger.
18) Daher unterliegt ein Umsatz, den ein Steuerpflichtiger für private Zwecke ausführt, nicht der Mehrwertsteuer.
19) Im übrigen ist ein Steuerpflichtiger, der einen Teil eines Gegenstands in seinem Privatvermögen belassen möchte, durch keine Bestimmung der Richtlinie daran gehindert, diesen dem Mehrwertsteuersystem zu entziehen.
20) Eine solche Auslegung ermöglicht es dem Steuerpflichtigen zu wählen, ob der privat genutzte Teil eines Gegenstands im Hinblick auf die Anwendung der Richtlinie in sein Unternehmen integriert sein soll oder nicht. Dies steht in Einklang mit dem Grundprinzip der Richtlinie, daß ein Steuerpflichtiger die Belastung durch die Mehrwertsteuer nur tragen muß, wenn sie Gegenstände oder Dienstleistungen betrifft, die er für seinen Eigenverbrauch und nicht für seine steuerbare unternehmerische Tätigkeit verwendet. Die genannte Wahlmöglichkeit steht auch nicht der Anwendung eines anderen, vom Gerichtshof im Urteil vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C-97/90 (Lennartz, Slg. 1991, I-3795) herausgearbeiteten Grundsatzes entgegen, wonach Investitionsgüter, die sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet werden, gleichwohl als Gegenstände des Unternehmens behandelt werden können, hinsichtlich deren die Mehrwertsteuer grundsätzlich voll abzugsfähig ist.
21) Wie der Generalanwalt in Nummer 50 seiner Schlußanträge ausgeführt hat, ist die Aufteilung zwischen dem vom Steuerpflichtigen unternehmerisch und dem von ihm privat genutzten Teil auf der Grundlage des unternehmerischen und des privaten Nutzungsanteils im Erwerbsjahr und nicht auf der Grundlage der räurnlichen Aufteilung vorzunehmen. Weiterhin muß der Steuerpflichtige in der ganzen Zeit, in der er den fraglichen Gegenstand besitzt, seinen Willen, einen Teil davon in seinem Privatvermögen zu behalten, nach außen erkennbar werden lassen.
22) Gegen diese Erwägungen kann die deutsche Regierung nicht einwenden, da Artikel 13 Teil C der Richtlinie den Mitgliedstaaten gestatte, den Umfang des Rechts der Option für die Besteuerung von nach Artikel 13 Teil B Buchstaben g und h an sich von der Steuer befreiten Umsätzen, das sie ihren Steuerpflichtigen einräumen könnten, einzuschränken und seine Modalitäten zu bestimmen, ermächtige diese Bestimmung den deutschen Gesetzgeber, einen Steuerpflichtigen in einem Fall wie dem vorliegenden hinsichtlich des gesamten Grundstücks der Besteuerung zu unterwerfen.
23) Diese Auffassung ist nämlich nicht mit der Richtlinie vereinbar. Das in Artikel 13 Teil C der Richtlinie vorgesehene Optionsrecht gestattet zwar die Umwandlung einer an sich von der Steuer befreiten in eine steuerbare Lieferung und gibt dem Steuerpflichtigen ein Recht auf Vorsteuerabzug, es erlaubt aber nicht die Umwandlung einer Lieferung, die nicht in den durch die Richtlinie festgelegten Geltungsbereich der Steuerregelung fällt, in eine steuerbare Lieferung.
24) Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß ein Steuerpflichtiger beim Verkauf eines Gegenstands.von dem er einen Teil seiner privaten Nutzung vorbehalten hatte, hinsichtlich dieses Teils nicht als Steuerpflichtiger im Sinne von Artikel 2 Nr. 1 der Richtlinie handelt.
Zur zweiten Frage
25) Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob ein Steuerpflichtiger, der einen Gegenstand verkauft, bei dessen Erwerb er sich dafür entschieden hatte, einen Teil davon nicht seinem Unternehmen zuzuordnen, während der Zeit, in der er dieses betrieb, von der von ihm geschuldeten Steuer nach Artikel 17 Absatz 2 der Richtlinie die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für den gesamten Gegenstand abziehen darf oder ob bei der Anwendung dieser Vorschrift nur der seinem Unternehmen zugeordnete Teil dieses Gegenstands zu berücksichtigen ist.
26) Gemäß Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie ist der Steuerpflichtige, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden.
27) Nur soweit ein Gegenstand für die Zwecke der steuerbaren Umsätze verwendet wird, kann ein Steuerpflichtiger die für diesen Gegenstand geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer von der von ihm geschuldeten Steuer abziehen.
28) Entscheidet sich der Steuerpflichtige dafür, einen Teil eines Gegenstands nicht seinem unternehmerischen Vermögen zuzuorduen, so steht fest, daß dieser Teil zu keiner Zeit zu den Gegenständen des Unternehmens gehört. Deshalb kann nicht angenommen werden, daß der Steuerpflichtige im Sinne der Artikel 5 Absatz 6 und 6 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie Gegenstände des Unternehmens für seinen privaten Bedarf verwendet. Der in Frage stehende Teil, der nicht für die Erbringung steuerbarer unternehmerischer Leistungen oder Lieferungen verwendet wird, fällt daher nicht in den Geltungsbereich der Mehrwertsteuerregelung und ist bei der Anwendung des Artikels 17 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie nicht zu berücksichtigen.
29) Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, daß, wenn ein Steuerpflichtiger einen Gegenstand verkauft, bei dessen Erwerb er sich dafür entschieden hatte, einen Teil davon nicht seinem Unternehmen zuzuordnen, bei der Anwendung des Artikels 17 Absatz 2 der Richtlinie nur der seinem Unternehmen zugeordnete Teil des Gegenstands zu berücksichtigen ist.
Zur dritten Frage
30) Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Berichtigung der Vorsteuerabzüge nach Artikel 20 Absatz 2 der Richtlinie auf den dem Unternehmen zugeordneten Teil des Grundstücks beschränkt werden kann.
31) Artikel 20 Absatz 2 der Richtlinie lautet:
“Für Investitionsgüter wird eine Berichtigung vorgenommen, die sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren einschließlich des Jahres, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden, erstreckt. Die jährliche Berichtigung betrifft nur ein Fünftel der Steuer, mit der diese Güter belastet waren. Die Berichtigung erfolgt unter Berücksichtigung der Änderungen des Anspruchs auf Vorsteuerabzug in den folgenden Jahren gegenüber dem Anspruch für das Jahr, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden.”
32) Da sich das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß Artikel 17 Absatz 2 der Richtlinie nach der Antwort auf die zweite Frage nur auf den dem Unternehmen zugeordneten Teil des fraglichen Gegenstands bezieht, ist die Berechtigung des Vorsteuerabzugs ebenfalls auf diesen Teil des Gegenstands zu beschränken.
33) Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, daß die Berechtigung der Vorsteuerabzüge nach Artikel 20 Absatz 2 der Richtlinie auf den dem Unternehmen zugeordneten Teil des Grundstücks zu beschränken ist.
Kosten
34) Die Auslagen der deutschen, der französischen und der portugiesischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat
Der Gerichtshof
auf die ihm vom Bundesfinanzhof mit Beschluß vom 28. April 1992 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1. Ein Steuerpflichtiger handelt beim Verkauf eines Gegenstands, von dem er einen Teil seiner privaten Nutzung vorbehalten hatte, hinsichtlich dieses Teils nicht als Steuerpflichtiger im Sinne von Artikel 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage.
2. Verkauft ein Steuerpflichtiger einen Gegenstand, bei dessen Erwerb er sich damit entschieden hatte, einen Teil davon nicht seinem Unternehmen zuzuordnen, so ist bei der Anwendung des Artikels 17 Absatz 2 der genannten Richtlinie nur der seinem Unternehmen zugeordnete Teil des Gegenstands zu berücksichtigen.
3. Die Berichtigung der Vorsteuerabzüge nach Artikel 20 Absatz 2 der genannten Richtlinie ist auf den dem Unternehmen zugeordneten Teil des Grundstücks zu beschränken.
Unterschriften
Rodríguez Iglesias, Schockweiler, Kapteyn, Gulmann, Jann,Mancini, Moitinho de Almeida, Murray, Edward, Hirsch, Ragnemalm
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Oktober 1995.
Der Kanzler
R. Grass
Der Präsident
G. C. Rodriguez Iglesias
Fundstellen
Haufe-Index, 60648
BStBl II 1996, 392