BFH, Urteil v. 26.08.1993, I R 86/96:

Zur einheitlichen Zuordnung eines ungeschützen Erfinderrechts zum gewerblichen Betriebsvermögen

Urteil vom 26.08.1993
I-R-86/96
Bundesfinanzhof

Entscheidungsstichwort (Thema)

(Ungeschütztes Erfinderrecht als gewerbliches Betriebsvermögen – Definition: Erfindung – Nutzungsentnahme)

Leitsatz

1. Ein ungeschütztes Erfinderrecht ist unbeschadet der Möglichkeit, es territorial begrenzt nutzen zu können, jedenfalls dann einheitlich dem gewerblichen Betriebsvermögen zuzuordnen, wenn der Erfinder im Rahmen einer Betriebsaufspaltung der Betriebsgesellschaft das Recht einräumt, selbständige Lizenzverträge über die Erfindung mit allen denkbaren in- und ausländischen Partnern abzuschließen.

Orientierungssatz

1. Eine Nutzungsentnahme setzt die nutzungsmäßige Zuführung eines Wirtschaftsguts zu betriebsfremden Zwecken voraus. Daran fehlt es, wenn der Steuerpflichtige einen gewerblichen Erfinderbetrieb unterhält und im Zusammenhang mit diesem Betrieb Lizenzen vergibt. In einem solchen Fall bedeutet die Lizenzvergabe die Zuführung des ungeschützten Erfinderrechts zu betriebseigenen Zwecken. Dies gilt auch dann, wenn Lizenzen in verschiedene Staaten vergeben werden.

2. Eine Erfindung ist die Idee einer technischen Anwendung mit fortschrittlichen Mitteln. Mit ihrer Vollendung entsteht zunächst das rechtlich ungeschützte Erfinderrecht. Dieses ist in seinem wirtschaftlichen Kern das Recht, die Erfindung nutzen zu können. Sie kann zum Gegenstand von Lizenzverträgen gemacht oder veräußert werden. Für das rechtlich ungeschützte Erfinderrecht gilt an sich kein Territorialitätsprinzip. Dennoch kann es territorial begrenzt genutzt werden. Vom Erfinderrecht ist ein evtl. zu erteilendes Patent zu unterscheiden. Es hat die Wirkung, daß der Patentinhaber in rechtlich geschützter Form befugt ist, den Gegenstand der Erfindung gewerbsmäßig herzustellen, feilzuhalten oder zu gebrauchen. Das Patent ist damit eine rechtlich geschützte Form des Erfinderrechts. Für das Patent gilt ein striktes Territorialitätsprinzip. EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 2; GewStDV § 1

Diese Entscheidung wird zitiert von
Beitrag “Betriebsaufspaltung”
BFH – 23.09.1998 – XI R 72/97 – (V)
BFH – 01.06.1994 – X R 81/90 – (NV)

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Diplom-Chemiker. Im Streitjahr 1982 hielt er sämtliche Anteile an der inländischen K-GmbH. Er war auch zum Geschäftsführer der K-GmbH bestellt.

Bereits vor 1982 hatte der Kläger ein Verfahren zur Herstellung von ……. erfunden. Später hatte er das Verfahren verbessert. Mit der K-GmbH hatte er Lizenzverträge über die Nutzung seiner ungeschützten Erfindung abgeschlossen. Die Umsätze der K-GmbH beruhten zu 95 v.H. auf der Nutzung der Erfindung des Klägers. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) behandelte deshalb die Lizenzgebühren unter dem Gesichtspunkt der Betriebsaufspaltung als gewerbliche Betriebseinnahmen. In seinem Urteil vom 21.Oktober 1988 III R 258/84 (BFH/NV 1989, 321) bestätigte der Bundesfinanzhof (BFH) diese Rechtsauffassung bezogen auf den Erhebungszeitraum 1975.

Am 31.Mai 1976 änderten der Kläger und die K-GmbH den damals geltenden Lizenzvertrag dahingehend, daß beide Vertragsparteien das Recht erhielten, unabhängig voneinander Lizenzverträge auch mit anderen in- und ausländischen Partnern abzuschließen. Am 16.September 1977 schlossen der Kläger und die K-GmbH mit einer in den USA ansässigen Kapitalgesellschaft (US-Unternehmen) eine als Lizenzvertrag bezeichnete Vereinbarung für das Gebiet Nord-, Mittel- und Südamerika (einschließlich Kanada) ab. Nach dem Vertrag erhielt das US-Unternehmen das alleinige Recht, Materialien nach dem vom Kläger entwickelten Verfahren herzustellen und zu vertreiben. Der Kläger und die K-GmbH verpflichteten sich außerdem, dem US-Unternehmen das Know-how zur Herstellung und zum Vertrieb der durch den Lizenzvertrag betroffenen Waren zu übermitteln. Außerdem sollten der Kläger und die K-GmbH die notwendigen Spezialmaschinen beschaffen. Sie lieferten eine Erstausrüstung zur Aufnahme der Produktion durch das US-Unternehmen. Dafür erhielten sie einen Einmalbetrag von 150 000 $ und eine laufende Gebühr von 16,5 v.H. des jeweiligen Verkaufspreises. Im Streitjahr 1982 vereinnahmte der Kläger auf diese Weise 60 339 DM an Lizenzgebühren von dem US-Unternehmen.

Am 1.Oktober 1982 schloß der Kläger einen weiteren Lizenzvertrag mit einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Südafrika (Südafrika-Unternehmen) ab. Danach räumte der Kläger dem Südafrika- Unternehmen das Recht ein, Produkte nach dem vom Kläger entwickelten Verfahren herzustellen und zu vertreiben. Der Vertrag bezog sich auf die Nutzung der Erfindung in Südafrika. Auch in diesem Vertrag war ein umfangreicher Austausch von Know-how vorgesehen. Der Kläger vereinnahmte in 1982 von dem Südafrika- Unternehmen eine Know-how-Gebühr in Höhe von 118 825 DM.

Das FA behandelte alle Einnahmen des Klägers als solche aus einem Gewerbebetrieb. Es erließ am 5.Dezember 1988 einen Gewerbesteuermeßbescheid 1982. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 20.November 1989). Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zu etwa zwei Dritteln statt.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Rheinland- Pfalz vom 27.November 1991 1 K 3075/89 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Vermietung von Wirtschaftsgütern an eine Kapitalgesellschaft eine gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 1 der Gewerbesteuer- Durchführungsverordnung (GewStDV) in der im Streitjahr 1982 geltenden Fassung, wenn die Wirtschaftsgüter für die Kapitalgesellschaft eine wesentliche Grundlage ihres Betriebes bilden und der oder die Inhaber des überlassenen Vermögens ihren Willen auch in der Kapitalgesellschaft durchsetzen können (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8.November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Nach diesen Grundsätzen ist auch die Überlassung von Lizenzen durch einen freien Erfinder an eine GmbH zu beurteilen, an der er selbst beteiligt ist (vgl. BFH- Urteile vom 26.Januar 1989 IV R 151/86, BFHE 156, 138, BStBl II 1989, 455; vom 6.November 1991 XI R 12/87, BFHE 166, 206, BStBl II 1992, 415).

2. Zu diesen Tatbestandsmerkmalen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Nutzungsüberlassung der ungeschützten Erfindung an die K-GmbH “unstreitig” die Voraussetzungen einer gewerblichen Betriebsaufspaltung erfüllte. Das FG hat sich insoweit auf das zwischen den Beteiligten ergangene BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 321 bezogen. Es ist davon ausgegangen, daß der Tatbestand der Betriebsaufspaltung im Streitjahr 1982 unverändert fortbestand. Es hat außerdem festgestellt, daß der Kläger in bezug auf die Nutzungsüberlassung seiner ungeschützten Erfindung an das US- Unternehmen eine gewerbliche Tätigkeit ausübte, weil er zusätzliche Verpflichtungen übernahm, die der Tätigkeit ein gewerbliches Gepräge gaben. Der Kläger hat diesen Teil der Entscheidung nicht mit einer selbständigen Revision angefochten. Deshalb ist im Revisionsverfahren davon auszugehen, daß er einen gewerblichen Erfinderbetrieb führte, der sowohl auf einer Betriebsaufspaltung als auch auf einer sonstigen gewerblichen Tätigkeit beruhte.

3. Damit geht die im Revisionsverfahren primär zu entscheidende Rechtsfrage dahin, ob der Kläger aus der Lizenzvergabe an das Südafrika-Unternehmen nicht schon deshalb gewerbliche Einkünfte erzielte, weil die ungeschützte Erfindung auch bezogen auf ihre Nutzung in Südafrika dem vorhandenen gewerblichen Unternehmen vermögensmäßig zuzuordnen ist. Diese Rechtsfrage bejaht der erkennende Senat.

4. Dabei geht er davon aus, daß eine Erfindung die Idee einer technischen Anwendung mit fortschrittlichen Mitteln ist (vgl. Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz, 5.Aufl., 1988 S.80). Mit ihrer Vollendung entsteht zunächst das rechtlich ungeschützte Erfinderrecht (vgl. Hubmann, a.a.O., S.111). Dieses ist in seinem wirtschaftlichen Kern das Recht, die Erfindung nutzen zu können. Sie kann zum Gegenstand von Lizenzverträgen gemacht oder veräußert werden. Für das rechtlich ungeschützte Erfinderrecht gilt an sich kein Territorialitätsprinzip. Dennoch kann auch das ungeschützte Erfinderrecht territorial begrenzt genutzt werden. Von dem Erfinderrecht ist ein evtl. zu erteilendes Patent zu unterscheiden. Es hat die Wirkung (§ 6 des Patentgesetzes –PatG–), daß der Patentinhaber in rechtlich geschützter Form befugt ist, den Gegenstand der Erfindung gewerbsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen. Das Patent ist damit eine rechtlich geschützte Form des Erfinderrechts. Für das Patent gilt ein striktes Territorialitätsprinzip (vgl. Hubmann, a.a.O., S.68 ff., 141), d.h. das Erfinderrecht wird jeweils nur für einen territorial abgegrenzten Bereich geschützt.

5. Ob deshalb auch das ungeschützte Erfinderrecht, soweit es territorial begrenzt genutzt wird, als mehrere Wirtschaftsgüter verstanden werden kann, die geeignet sind, verschiedenen Betriebsvermögen zugeordnet zu werden, kann im Streitfall unentschieden bleiben. Von der einheitlichen Zuordnung zu nur einem Betriebsvermögen ist jedenfalls dann auszugehen, wenn –wie im Streitfall– der Erfinder im Rahmen einer Betriebsaufspaltung der Betriebsgesellschaft das Recht einräumt, selbständige Lizenzverträge über die Erfindung mit allen denkbaren in- und ausländischen Partnern abzuschließen. In einem solchen Fall führt der Erfinder selbst die ungeschützte Erfindung mit allen ihr anhaftenden Nutzungsmöglichkeiten dem gewerblichen Betriebsvermögen innerhalb der Betriebsaufspaltung zu.

6. Eine andere Rechtsfolge ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Nutzungsentnahme. Eine solche setzt gemäß § 4 Abs.1 Satz 2 EStG die nutzungsmäßige Zuführung eines Wirtschaftsgutes zu betriebsfremden Zwecken voraus. Daran fehlt es, wenn der Steuerpflichtige einen gewerblichen Erfinderbetrieb unterhält und im Zusammenhang mit diesem Betrieb Lizenzen vergibt. In einem solchen Fall bedeutet die Lizenzvergabe die Zuführung des ungeschützten Erfinderrechts zu betriebseigenen Zwecken. Dies gilt auch dann, wenn Lizenzen in verschiedene Staaten gegeben werden.

7. Gehörte deshalb auch die Nutzungsüberlassung des ungeschützten Erfinderrechts an das Südafrika-Unternehmen zum gewerblichen Betrieb des Klägers, so zählen die von ihm vereinnahmten Lizenz- und Know-how-Gebühren zu den gewerblichen Betriebseinnahmen. Soweit das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, kann seine Entscheidung keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Das FA hat zu Recht den Gewerbeertrag 1982 um die Lizenz- und Know- how-Gebühren erhöht. Der angefochtene Gewerbesteuermeßbescheid 1982 ist rechtmäßig. Die gegen ihn gerichtete Klage war abzuweisen.

Fundstellen

Haufe-Index, 64496

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